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Kasino DLR

Neubau Kasino DLR Braunschweig – Gebäude 123

Tragwerksplanung geht (manchmal auch) durch den Magen…

Auf dem Gelände des Deutschen Zentrums für Luft-  und Raumfahrt e.V. (DLR) in Braunschweig entsteht in unmittelbarer Nähe zur Landebahn zurzeit der Neubau eines 2-geschossigen Kasinos (Betriebsrestaurant mit Seminarräumen) mit einem Investitionsvolumen von ca. 4,3 Millionen Euro.

Der teilbare Hauptspeiseraum für 550 Personen wird multifunktional genutzt werden und öffnet sich nach Außen zu einer Terrasse mit hoher Aufenthaltsqualität.

 

Mit dem geplanten Neubau wird auch ein Beitrag zum energie- und ressourcenschonenden Bauen geleistet. Dazu waren die energetischen Aspekte, umweltfreundliche Anforderungen sowie das Erreichen von optimalen Kosten-/Nutzenzielen innerhalb des vorgegebenen Kostenrahmens zu berücksichtigen.

 

Im Obergeschoss sind die Technikzentrale, eine Selbstbedienungs-Cafeteria, ein Speisesaal mit 104 Sitzplätzen und 2 Konferenzräume untergebracht. Das Erdgeschoss beherbergt die Küche mit der Hauptausgabe und einen weiteren Speisesaal für 108 Personen.

Kasino in Massivbauweise

Das in Massivbauweise mit Flachdach errichtete freistehende Gebäude hat eine Grundfläche von ca. 30 x 29 Metern und eine Höhe von 8,5 Metern. Als Fassade wird ein kerngedämmtes Verblendmauerwerk in Verbindung mit einer großformatigen Pfosten-Riegelfassade (Stahl-/Glas-Elemente) eingesetzt.

Die Aussteifung des Gebäudes wird durch das Zusammenwirken der Deckenscheiben mit den Wandscheiben des EG und des OG erreicht. Die in einem variablen Raster stehenden Stahlbeton-Innenstützen werden zur Abtragung der Horizontallasten nicht mit herangezogen, so dass sie recht schlank ausgeführt werden können (ausgesteifter Stahlbeton-Skelettbau).

Die Gründung

Das Kasino wird frostfrei mittels Streifen- und Einzelfundamenten, die mit einer durchgehenden Stahlbetonsohle miteinander verbunden sind, flach gegründet. Eine umlaufende Frostschürze folgt dem Verlauf der Gebäudefassade. Die unterhalb der Gründungsebene liegenden Gebäudebereiche (Aufzugsunterfahrt Medien-Einbringschacht) werden auf Stahlbeton-Sohlplatten gegründet.

Obergeschoss-Decke

Die Obergeschossdecke wird weitgehend als 30 cm dicke Stahlbeton-Flachdecke ausgeführt. Um die Verformungen in den weit auskragenden Deckenrändern – hier ist die Deckendicke auf  24 cm reduziert – auf ein verträgliches Maß zu begrenzen, werden im Bereich der Achsen F-H Unterzüge angeordnet. Ein dem Fassadenverlauf folgender Randunterzug sorgt für eine Angleichung der Deckenrandverformungen. Der etwas erhöht liegende Dachbereich über der Technikzentrale wird als leichtes Stahltrapezblechdach auf einer Stahlträgerlage ausgebildet, da das Dach zum Austausch von Technikkomponenten leicht zu öffnen sein muss.

Erdgeschoss-Decke

Auch für die Erdgeschossdecke war aus Sicht der Tragwerksplanung die Begrenzung der Verformungen das entscheidende Entwurfskriterium.

Die Decke wird ebenfalls als 30 cm dicke Stahlbeton-Flachdecke ausgeführt. Im zentralen Gebäudebereich wird die Decke an die Obergeschosswände der Technikzentrale angehängt. Die Lastabtragung erfolgt über Stahlbetonstützen und Stahlbetonwände.

Der Südbalkon

Eine Besonderheit stellt der vier Meter weit auskragende Deckenbereich des Südbalkons dar. Diese große Auskragung ließ sich wirtschaftlich nur durch eine statisch wirksame Aktivierung der seitlichen Balkonbrüstungen realisieren. Beim Brüstungsbalken in Achse F entstand hierbei ein waageartiges Tragsystem, da der Balken bereits in Deckenfeldmitte, weit vor der Wandachse 7, endet. Dieses Tragsystem ist nur mit ausreichend Gegengewicht auf dem Balkenende ins Gleichgewicht zu bekommen.

Die Steifigkeit des Systems „Waagebalken-Decke“ variiert allerdings je nach Belastung auf dem auskragenden Balkon und auf dem damit verbundenen Bereich der Decke.

Eine wirtschaftliche Bemessung  konnte daher  nur am Gesamtsystem der Deckenplatte unter Einbeziehung des auskragenden Balkons und der als Überzüge wirkenden Brüstungsbalken erfolgen. Da eine solche Konstruktion nicht einfach zu berechnen ist, verwendeten wir ein Platten-Bemessungsprogramm mit der Finite-Elemente-Methode (FEM).

Klingt kompliziert? Ist es auch! Daher hatten wir die fachlichen Details in unserer Kundenzeitung wirtschaftlich BAUEN“ weggelassen und präsentieren hier einige „intime“ Details der Tragwerkplanung…

Eine Besonderheit stellt der einschließlich Verblendmauerwerk vier Meter weit auskragende EG-Deckenbereich des Südbalkons (Achse F-G) dar. Diese große Auskragung ließ sich wirtschaftlich nur durch Aktivierung der seitlichen Balkonbrüstungen realisieren. Die Brüstung in Achse G kann im Bereich von Achse 7-9 problemlos als Einfeldträger (Achse 7-8) mit Kragarm (Achse 8-9) berechnet werden. Für den Brüstungsbalken  in Achse F ist dies ohne weiteres nicht möglich, da die Brüstung zwischen der  Achse 7 und 8 endet. Als statisches System für diesen Brüstungsträger entsteht somit ein am Endauflager elastisch gestützter Einfeldträger mit Kragarm. Aufgrund des hier ungünstigen Verhältnisses zwischen Kragarmlänge und Trägerlänge ist das System nur wirtschaftlich ins Gleichgewicht zu bekommen, solange am Endauflager (EG-Decke = Wegfeder) genügend Gegengewicht vorhanden ist. Mit dem anteiligen Gewicht des Brüstungsbalkens in Achse 7 stehen hierfür genau die benötigten Lasten zur Verfügung, um das Endauflager zu stabilisieren. Bei diesem waagebalkenartigen System sind sowohl die Federsteifigkeit der Decke als auch das Gegengewicht der Brüstung keine festen Größen. Sie variieren je nach nach Größe und Art der Belastungen auf dem auskragenden Balkon und auf dem damit verbundenem Bereich der EG- Decke. Eine wirtschaftliche Bemessung  konnte daher  nur am Gesamtsystem der Deckenplatte unter Einbeziehung des auskragenden Balkons und der als Überzüge wirkenden Brüstungsbalken erfolgen.

Jetzt alles klar? 🙂

Kombinierte Innen-/Außentreppe

Diese sowie weitere nicht ganz alltägliche Tragwerksdetails – zum Beispiel die kombinierte Innen-/Außentreppe an der Gebäude-Ostseite – ließen das Projekt auch für uns zu einem besonders spannenden Bauvorhaben werden. Dem wird die Projektbezeichnung „Neubau Kasino“ bei weitem nicht gerecht.

Kollegiales Miteinander

Da aber die Zusammenarbeit mit den anderen Planungsbeteiligten, den ausführenden Baufirmen und den Vertretern des Bauherrn von kollegialem Miteinander geprägt war, wird uns die Realisierung des Gebäudes 123 – Kasino DLR – nachhaltig in positiver Erinnerung bleiben!

Nominiert zum Tag der Architektur 2019